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Gedichte für Kinder – Folge 18: Sieben unveröffentlichte Kindergedichte von Horst Samson

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Bevor es losgeht

In diesem Buch
steckt eine Maus!
Man kann sie rufen,
manchmal kommt sie raus,
erklärt euch alles,
klipp und klar:
Was ist, was wird,
was einmal war.
Wenn sie nicht kommt
und zu euch spricht,
dann lasst sie sein,
dann will sie nicht!
 

Räuber Habkeingeld

Mein Messer ist schon viel zu alt
und weil die Flinte nicht mehr knallt,
hab ich die Zunge umgeschnallt.

Ich bin der Räuber
Habkeingeld,
ich brauch kein Haus,
ich wohn im Zelt,
hab Luft gestohlen
in rauen Mengen,
jetzt will man mich
dafür erhängen!
Doch ehe mich
die Henker finden,
werd ich in einem
Satz verschwinden!
Dort leb ich still,
fast wie zuhaus,
und gehe nur
am Sonntag aus,
um Luft zu stehlen
für sieben Tage.
Vielleicht bessert sich
danach die Lage.
 

Liebestreff

Die Sonne trüb
wie saurer Wein,
sie kam herangeflogen,
sie gab dem Mond
ein Stelldichein
und hat ihn krumm gebogen.
 

Die Turmuhr

Es war einmal,
wann war das nur?
Ich glaub, der Wind
sah auf die Uhr
am Kirchturm da,
in unsrer Stadt
und sah nur Rost
als Zifferblatt.
 

Wie geht’s dem König?

Der dicke König
Edelwichs
regierte im Reiche
Essigstein
zufrieden, denn
ihn plagte nichts
als eine Krampfader
am Bein.
 

Der Wal ohne Wahl

Ein Finnwal lebte
seit vielen Jahren
sehr weit draußen
im offenen Meer
und ist damit
ganz gut gefahren:
musste nie zum Militär,
noch in die Partei,
war sozusagen fischfrei,
brauchte weder Geld,
noch Angelschein,
sondern genoss die Welt,
und war lupenrein
sein eigener Held.

Von Grenzen, das wäre
noch zu ergänzen,
hatte er nie gehört.
Wenn er aber betört
vor Spaß und pudelnass
wie ein Kind
durch die Fluten tollte,
die Flosse im Wind,
war ihm die Welt egal.
In einem Wort: Er lebte,
wie er wollte und nur selten,
wie er sollte! Er schlief nur halb,
wenn er mal schlief,
tauchte spielend 200 Meter tief
oder pfiff im gottverlassenen Meer
einem jungen Dampfer hinterher.

Oft schwamm er, wie gewohnt,
noch nachts um drei
an einem hellen Stern vorbei!
Badete tagelang allein
auf weiter Wasserflur,
sah selten nur auf seine Rolex-Uhr,
wie spät es war im Jahr.
Und was kümmerte ihn
die Stadt Berlin
oder jene Wolke gar
am Ende Europas, bei Gibraltar,
die dunkler schon als dunkel war!
So verkannte er die Gefahr,
den Meister Tod im Walfängerboot.
Darauf verschwand er ohne Spur,
mitsamt der schönen Rolex-Uhr.
 

Der Herbst kommt über uns

Auf leisen Sohlen
schleichen Wind
und Herbst heran
wie Katzen.
Die Felder, die
sind schlecht rasiert,
die Bäume tragen
Glatzen.

Der Nebel verschluckt
die halbe Welt
und wird doch
niemals platzen,
die Sonne schweigt,
ihr Mund ist still,
es tschilpen nur
die Spatzen.
 

© Horst Samson

Horst Samson wurde in dem Dorf Salcimi in Rumänien geboren und arbeitete dort als Lehrer, Journalist und Schriftsteller. Er war u. a. Redakteur der Zeitschrift des Rumänischen Schriftstellerverbandes »Neue Literatur« in Bukarest. 1985 erhielt er Veröffentlichungsverbot und 1986 wurde ihm vom Staatssicherheitsdienst Securitate mit Mord gedroht. 1987 wanderte er schließlich in die Bundesrepublik Deutschland aus und lebt heute in Neuberg bei Frankfurt. Insgesamt hat er bis jetzt zehn Gedichtbücher veröffentlicht, zuletzt den Band »Das Imaginäre und unsere Anwesenheit darin« (Pop Verlag, Ludwigsburg, 2014). Schon in Rumänien schrieb er, aufgefordert durch einen Kollegen und Lektor im Bukarester Kinderbuchverlag Ion Creanga, auch Gedichte für Kinder, deren Veröffentlichung aber immer wieder durch die Zensurbehörden verhindert wurde. Leider sind auch hierzulande seine Kindergedichte bis heute nur in Zeitschriften und Anthologien zu finden.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.


Gedichte für Kinder – Folge 19: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte von Uwe-Michael Gutzschhahn

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ausgewählt von Arne Rautenberg

Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Begrüßung

Der Igel schaut noch in den Spiegel,
der Star fährt sich nervös durchs Haar,
die Ratte zupft an der Krawatte,
der Floh, der rennt noch kurz aufs Klo.

Am heißen Herd, da kocht das Pferd,
das Schwein sucht schnell nach einem Wein,
die Ameise übt noch mal leise
zu singen auf ganz zarte Weise.

Die Kuh schlüpft eilig in die Schuh,
die Maus hält einen Blumenstrauß,
der Stier, der reißt jetzt auf die Tür
und dann – küsst dir der Elefant die Hand.
 

Schöne Sauerei

Die Suppe kocht,
die Suppe steigt
samt Porree und Karotten,
und wenn sie schön lang überkocht,
kannst du den Topf verschrotten.
 

Krähen

Kra kra
kra kra
Mama kra kra

Ja ja kra kra

Kra kra Mama
kra kra kra kra

Na na na na
kra kra Papa

Kra kra kra kra
Kacka Mama

Na na kra kra
kra kra ba ba

A-a kra kra
kra kra da da

La la la la
kra kra
kra kra

 

Hirn an Mund

Zeig ihm die Stirn, flüstert das Hirn.
Kann man nichts machen, räuspert der Rachen.
Bei meiner Seele, röchelt die Kehle.
Wird ganz schön knacken, pusten die Backen.
Dann drück ich die Daumen, raspelt der Gaumen.
Verrückte Pläne, schnalzen die Zähne.
Junge, Junge, lispelt die Zunge.
Na und, denkt der Mund
und schreit los ohne Grund.
 

Weite Reise, kurz erzählt

Als ich am großen Wagen zog,
fiel ein Stern vom Himmel.
Er flog und flog
durch Sonnengewimmel
mir in die Hände –
glückliches Ende.
 

Besuch

Abends wenn ich müde werd‘,
kommt zu mir ein weißes Pferd.

Und ich lass es in mein Zimmer,
doch ich habe keinen Schimmer,
was es von mir will,
denn es gibt nicht viel.

Weder Hafer noch Heu,
weder Sand noch Streu,
weder Weide noch Stall,
bloß einen Ball.

Sieht das Pferd ihn an,
schnuppert dran,
setzt sich auf den Ball,
schieß ich ihn ins All.

Fliegt jetzt abends spät
ein weißer Komet
und sein Schweif ganz klein
winkt zum Fenster rein.
 

© Uwe-Michael Gutzschhahn

Uwe-Michael Gutzschhahn war zu allerst Lyriker, ehe er zwanzig Jahre lang in Verlagen als Lektor und Programmleiter arbeitete. Da es Kinderbuchverlage waren, begann er auch selbst Kinder- und Jugendbücher zu schreiben und gab ab Ende der 1980er Jahre bei Ravensburger die zwölfbändige Reihe »RTB Gedichte« heraus, für die er Autoren wie Ernst Jandl, Friederike Mayröcker, Ernst Pastior, Christa Reinig u. a. gewann und aus ihrem Lyrikwerk solche Gedichte auswählte, die sich auch für Kinder eignen könnte. 2006 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er zusammen mit Amelie Fried bei cbj herausgab. Und 2015 erschien, ebenfalls bei cbj, die Nonsensgedicht-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her«. Zuvor hat er 2012 – nach 5 Gedichtbänden für Erwachsene – auch ein erstes ein eigenes Kinderbuch mit Nonsensversen veröffentlicht. Gutzschhahn lebt heute als Autor, Übersetzer und Herausgeber in München.
 

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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Gedichte für Kinder – Folge 20: Zehn Kindergedichte von Frantz Wittkamp

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

 

Kriegt das Kaninchen
ein Medizinchen,
will auch die Ente
Medikamente.
 

 

Jedes Ding hat Sinn und Zweck.
Immer, wenn ich Spritzgebäck
in den Kaffee fallen lasse,
spritzt der Kaffee aus der Tasse.
 

 

Zwei nicht mehr neue Automaten,
zu Hause in demselben Städtchen,
die sich verliebt zusammentaten,
bekamen jetzt ein Automätchen.
 

 

Nachtfalter falten die Nacht zusammen
und tragen sie vorsichtig in den Keller.
Im Morgenrot steht der Himmel in Flammen.
Der Tag ist da. Es wird heller und heller.
 

 

Im Sommer war ich in Spanien,
im Land der rot-gelben Fahnen.
Mein nächstes Ziel ist Bananien,
das Heimatland der Bananen.
 

 

Mein Bär, mein dickes Kuscheltier,
ist nachts nicht gern allein.
Im Dunkeln liegt er neben mir.
Da schläft er mit mir ein.
 

 

An meinem Fenster waren Gespenster,
auf meinem Bett saß ein Skelett,
im Kleiderschrank hat ein Mörder gelacht
und mein Schutzengel hat ins Bett gemacht.
 

 

Meine Geheimat wird nicht verraten.
Ich komme aus den Verheimlichten Staaten.
 

Fabelland

Mein Vater war König von Fabelland
und hatte zehn Finger an jeder Hand.
Er spielte besonders gut Klavier
und hatte viel Vergnügen an mir.
Mein Vater ist mein Lehrer gewesen.
Ich lernte bei ihm Gedankenlesen
und lernte, wie man sich unsichtbar macht.
Das Lügen hat er mir auch beigebracht.
 

Mogelmaus

Die Maus ist keine Vogelmaus.
Sie sieht nicht wie ein Vogel aus.
Wie kommt die Maus ins Vogelhaus?
Die Maus ist eine Mogelmaus.
Sie mogelt sich ins Vogelhaus.
Jetzt wohnt die Maus im Vogelhaus.
Die Mogelmaus im Vogelhaus.
 

© Frantz Wittkamp

Frantz Wittkamp, lebt als Autor, Maler und Grafiker im münsterländischen Lüdinghausen, wo er, zusammen mit seiner Frau, auch eine Kunstgalerie betreibt. Er schreibt Gedichte, die er gern Findlinge nennt, kurze vier- bis sechszeilige komisch verdrehte und gereimte Sentenzen und Aphorismen, in denen der belehrende Zeigefinger jedes Mal abgebrochen ist und der Schalk und Nonsens die Oberhand gewinnt. Mit diesen Findlingen wurde er bei Kindern und Erwachsenen bekannt. Zu seinen bekanntesten Gedichtbüchern zählen „Ich glaube, dass du ein Vogel bist“ (1987), „Du bist da und ich bin hier“ (1989) und „Weil heute dein Geburtstag ist“ (2008). 2016 erschien der Band „In die Wälder gegangen, einen Löwen gefangen“ mit neuen Bildern von Axel Scheffler. Wittkamp wurde u. a. 1995 mit dem Österreichischen Staatspreis für Kinderlyrik ausgezeichnet.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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Gedichte für Kinder – Folge 21: Sieben Kindergedichte von Jürgen Brater

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Platzfrage

Ein Aal
namens Karl
schwimmt im Kanal.
Für einen Wal
ist es dort zu schmal.
Darum sieht der Karl
in dem Kanal
kein einziges Mal
einen Wal.
 

Fremdsprachen

Eine schwarzbunte Kuh
stand im Gras, machte Muh.

Hätte sie statt zu muh’n,
wie das Kühe so tun,
wie ein Schaf gemäht,
wie ein Hahn gekräht,
wie ein Bär gebrummt,
wie die Biene gesummt,
wie ein Wolf geheult wild,
wie ein Löwe gebrüllt,
gekrächzt wie ein Rabe,
gezirpt wie ‘ne Schabe,
wie eine Amsel geflötet,
wie ‘n Elefant getrötet,
wie ‘ne Flunder geflundert
hätt mich das sehr gewundert.
 

Trinken

Mich laust der Affe:
Mein Hund trinkt Kaffee!
Ist das gesund
für einen Hund?

Mich tritt ein Schwein:
Mein Pferd säuft Wein!
Für so ein Pferd
ist das doch verkehrt!

Die beiden sollten sich was schämen
die Katze sich zum Beispiel nehmen.
Denn die ist schlau,
sagt leis Miau
und schlürft Kakao.
 

Seltsame Dinge

Es quappt die Kaul,
es wirft der Maul,
es pelzt der Faul.

Es hoft der Bahn,
es weht das Zahn,
es ferkelt das Span.

Es jaut der Kabel,
es schaut die Nabel
es haftet die Fabel.

Es schnuppt die Stern,
es bust der Fern,
es obstet das Kern.

Es läuft der Fluss,
es mundet der Kuss,
es punktet der …
… Schluss!
 

Mordlust

Ich hab grad entzückt
eine Wanze zerdrückt
und brutal und wild
eine Mücke gekillt.
Und was soll ich sagen,
möcht ‘ne Kopflaus erschlagen.
Was ist die Moral?
Mir doch egal.
Glaubst du, dass die Mücke, die lauert
und mich sticht, das am Ende bedauert?
Glaubste nicht?
Na siehste!
 

Reimt sich

Das Warzenschwein
mag schwarzen Wein.
Dem toten Reh
gib roten Tee.
Gern frisst’s auch Matsch.
Was? Das ist Quatsch?
Saublödes Gelaber?
Reimt sich aber!
 

Richtig gern

Wo Wald waldig waldet,
windig windet der Wind,
die Kräh‘ krähig krähet,
die Spinn‘ spinnig spinnt,
wo die Sonn‘ sonnig sonnt,
der Sturm stürmisch stürmt,
der Frosch froschig froscht,
der Wurm wurmig würmt,
wo der Fluss flüssig fließt,
der Pilz pilzig pilzt,
der Regenguss gießt,
der Schnee schmelzig schmilzt,
wo die Blum‘ blumig blühet
und sternig der Stern
am Himmel hell glühet
da lebe ich gern.
 

© Jürgen Brater

Jürgen Brater ist von Haus aus Zahnarzt und er hat in seinem Leben einen Roman und viele Sachbücher sowohl für Erwachsene als auch für Kinder geschrieben, in denen er auf unterhaltsame Weise Alltagsfragen erklärt. So hieß eines seiner bekanntesten Sachbücher für Kinder „Was macht der U-Bahn-Fahrer, wenn er auf Toilette muss“. Gedichte schreibt Jürgen Brater eher nebenbei, einmal hat er ein kleines Bändchen für Erwachsene unter dem Titel „Banale Reime“ veröffentlicht, aber wenn man ihn herausgefordert hat, sprudeln die Verse, weil er wie bei seinem ganzen Schreiben mit Witz und originellen Ideen an die Sache herangeht. Einen eigenen Gedichtband für Kinder hat er bisher noch nicht verlegt. Auch in Anthologien ist leider bis jetzt so gut wie nichts von ihm zu finden. Jürgen Brater lebt in Aalen, und zwar in dem schwäbischen mit zwei A.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 22: Acht Kindergedichte von Hanna Johansen

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Mein Rabe

Nachts kommen böse Räuber in mein Zimmer,
seit letzter Woche wird es immer schlimmer.
Sie haben lange Messer und Pistolen
und wollen mich in ihre Höhle holen.

»Du hast doch Pfeil und Bogen!« Kann das nützen,
wenn ihre Augen auf der Treppe blitzen?

»Die Tür abschließen!« Nein. Ich hab entdeckt,
wie einer sich schon unterm Bett versteckt.

»Ich seh nichts unter deinem Bett, mein Bester.«
Das ist mal wieder typisch große Schwester.
Sie hat noch gar nicht richtig nachgesehen,
sonst würde ihr das Lachen schon vergehen.

Wer kann mir helfen? Tiger schläft schon lange.
Und diese Räuber sind vor gar nichts bange.

»Stimmt nicht!« Krächzt jetzt mein Rabe auf dem Schrank.
»Hab keine Angst! Ich helf dir.« Gottseidank.

»Ich bin zwar klein und sage dir ganz ehrlich,
die Räuber hier sind groß und sehr gefährlich.
Doch du bist sicher, glaub nur deinem Raben,
weil Räuber nämlich Angst vor Raben haben.«
 

Das Rhinozeros

Rhinozeros, ein Nasenhorn,
das rast, tritt es in einen Dorn,
in schwer rhinozerösem Zorn
und überholt sein eignes Horn.
 

Weihnachtsgedicht

Was naht? Die frohe Weihnachtszeit,
ein Tannenbaum steht schon bereit,
und wenn ich aus dem Fenster seh,
dann rieselt dies Jahr, glaub ich, Schnee.

Bald dunkelt es zur stillen Nacht.
Der Baum ist bunt zurechtgemacht
mit lauter Sternen, kein Lametta,
grün sind, so singt man, seine Blätta.

Es sind auch schon die Kerzen dran,
das ganze Ding ist fertig,
wir warten auf den Weihnachtsmann,
und dieser Mann ist bärtig.

Die Glocke spricht: »Plimpadibach«,
ich stehe auf und sehe nach.
Ein Hase steht vor unsrer Tür
und haucht: »Der Weihnachtsmann ist hier.«

»So nicht! Das Tier schlägt aus der Art!
Der Weihnachtsmann hat einen Bart,
und keinesfalls so lange Ohren.
Ein Hase hat hier nichts verloren.«

»Von drauß‘, vom Walde komm ich her«,
sagt dieses Vieh, »mein Sack ist schwer.
Und überall durch die Vorhangritzen
sah ich die Fotografen blitzen.«

Trägt auf dem Rücken einen Sack,
hat Eier drin im Multipack,
vermutlich nicht aus Bodenhaltung.
»Doch, doch, schwört«, sagt er, »die Verwaltung.«

»Mach dass du wegkommst mit den Eiern,
Weihnachten wollen wir jetzt feiern.«
»Schon gut, nur lass mich erst mal rein,
mir frieren sonst die Ohren ein.
Ich brauche warme Temperaturen.
Schon sieben auf den Kirchturmuhren?«
keucht atemlos das Nagetier.
»Komm rein«, sag ich, »hier ist die Tür.«

»Was will die Wanderratte hier?«
»Was macht der Mops mit dem Papier?«
»Der Mops hat eine Hasennase!«
»Das ist kein Mops, das ist ein Hase.«

»Wir warten auf den Weihnachtsmann
mit Esel, Bart und Marzipan«,
so etwa die Familie spricht.
Und: »Weihnachtshasen gibt es nicht.«

»Das mag ja sein«, sagt dieser lächelnd,
sich warme Heizungsluft zufächelnd,
und dann ganz ohne Bart und leise
ergänzt er unverkennbar weise:

»Naht erst die wilde Weihnachtszeit,
dann ist auch Ostern nicht mehr weit.«
 

Ein Brillenbär

Ein Brillenbär kommt nachts herein,
sieht aber nicht so aus.
Trotzdem, er ist nicht grade klein.
»Was willst du, Riesenmaus?«

Er stolpert, bricht sich fast ein Bein
in unserm dunklen Haus.
»Du«, brummt er dann, »du bist gemein.
Rück meine Brille raus!«
 

Ein Buch

Ein Buch ist wie ein Garten, sagt man,
den du in deiner Tasche trägst.
Wohin ist sie gegangen, fragt man,
sobald du nur dein Buch aufschlägst.
Du bist noch da und doch woanders,
Das Buch ist reine Hexerei,
da sitzt du still, während du wanderst,
und bist allein und doch dabei.
Du bist im Himmel, in der Hölle,
du bist bei dir und in der Welt,
du bist der Fisch, du bist die Welle
und die die Welt zusammenhält.
 

Ruhe!

Die Sommernacht ist tief und leise.
Das Morgengrauen kommt um vier.
Der Brombär hört die erste Meise
und brummt: »Was für ein frühes Tier!«

Verschlafen steigt er aus dem Bett
und gähnt und setzt sich ans Klavier.
»Und jetzt sing noch mal im Duett
mit mir.«

Ach, keine Meise würde singen,
wenn der so in die Tasten haut.
Nach Musik will das gar nicht klingen,
bloß laut.

Der Himbär fällt die Treppe runter:
»Brombär, was soll der Krach so früh?«
»Ich hab nicht angefangen«, brummt der:
»nein, sie.«

Der Heidelbär in seinem Zimmer,
der jault: »Nachtschlafenes Getue!
Ihr seid gemein. Ihr weckt mich immer.
Ru-he!«
 

Ein Frosch

Ein Frosch ging langsam durch den Wald,
er war nicht groß, das sah man bald.
Und wenn’s kein Frosch gewesen ist,
dann war’s ein Fuchs, der Frösche frisst.

Der Fuchs ging langsam durch den Wald,
er war noch klein, das sah man bald.
Und wenn das Tier nicht Rotfuchs heißt,
die Schlange war’s, die Füchse beißt.

Die Schlange ging dann durch den Wald,
sie war nicht dick, das sah man bald.
Und wenn sie’s nicht gewesen ist,
so war’s ein Kauz, der Schlangen frisst.

Der Kauz ging langsam durch den Wald,
der war nicht satt, das sah man bald.
Wenn er auch viel gefressen hat,
so ist er doch noch längst nicht satt.
 

Ein Baum

An einer Straße steht ein Baum.
Der Baum ist groß und leise.
Sieht aus, als atmete er kaum,
und ist doch grün und weise.

Der Baum ist nie für sich allein.
Er summt und brummt und knistert.
In seinem Schatten bist zu klein
und hörst ihn, wie er flüstert.

Es wehn die Blätter hin und her,
sein Atem aus und ein,
denn ohne Atem könnte er
nicht groß geworden sein.
 

© Hanna Johansen

Hanna Johansen stammt eigentlich aus Bremen, lebt aber schon fast ein Leben lang in Kilchberg bei Zürich. Sie hat viele Romane und Erzählungen für Erwachsene geschrieben, aber auch eine große Zahl von Kinderbüchern (zunächst unter dem Namen Hanna Muschg). Zu ihren wichtigsten Kinderbüchern zählen »Bruder Bär und Schwester Bär« (1983), »Die Ente und die Eule« (1984), die »Siebenschläfergeschichten« (1985) sowie »Felis Felis« (1987) und das Buch »Ich bin hier bloß die Katze« (2007). Sie wurde u. a. mit dem Schweizerischen Jugendbuchpreis und dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet, nur einen eigenen Kinderlyrikband gibt es von ihr nicht, obwohl sie seit langem in Anthologien und Zeitschriften die schönsten Kindergedichte veröffentlicht, die man sich vorstellen kann.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 23: Sechs Kindergedichte von Gerald Jatzek

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Die Sprachspinner

Wenn Spinnen spinnen
und Fliegen fliegen,
könnte man glauben,
dass Ziegen ziegen.

Wenn Robben robben
und Schaben schaben,
möchte man meinen,
dass Raben raben.

Wenn Wogen wogen
Und Ritter rittern,
könnte man glauben,
dass Gitter gittern.

Wenn Klappern klappern
und Rasseln rasseln,
könnte man denken,
dass Asseln asseln.

Wenn Pfeifen pfeifen
und Flöten flöten,
möchte man meinen,
dass Kröten kröten.

Wenn Geigen geigen,
dass Feigen feigen.
Wenn Hacken hacken
dass Zacken zacken.
Wenn Schrauben schrauben,
dass Tauben tauben.
Wenn Krähen krähen,
dass Zehen zehen.
Wenn Rollen rollen,
dass Knollen knollen.
Doch lasst euch nicht verwirren,
wenn die Irren irren.
 

Buntes Frühstück

Der Storch, die Schwalbe und die Sau
schlürfen eine Flasche Blau.

Die Gans, der Gockel und die Geiß
essen Gelb, Orange und Weiß.

Der Otter und der Ozelot
laben sich mit Grün und Rot.

Der Fuchs, der Falke und der Fink
trinken einen Becher Pink.

Die Kuh, das Kalb und der Kapaun
futtern einen Kessel Braun.

Das Pferd, der Panther und der Pfau
speisen Rosa, Schwarz und Grau.

Und alle sagen: »Ungelogen,
gut schmeckt so ein Regenbogen.«
 

Urlaub am Meer

Die Schnipse, der Schnarker, das Kroppeldadum
schauten gemeinsam aufs Meer,
die Schnipse war lang.
der Schnarker war kurz,
das Kroppeldadum ziemlich schwer.

Am Morgen, zu Mittag, am Abend, zur Nacht
schauten die drei auf die Wellen.
Zwei blieben stumm,
das Kroppeldadum
miaute sein grunzendes Bellen.

Sie schauten und schauten und sahen nicht viel.
Das Meer war weitgehend leer.
Sie sahen ein Schiff
draußen beim Riff.
Ansonsten war da nicht mehr.

Die Schnipse, der Schnarker, das Kroppeldadum
schauten zwei Wochen aufs Meer,
dann meinten die drei:
»Das ist jetzt vorbei.
Hier fahren wir nie wieder her.«
 

Nachtflug

Zwei Ziegen fliegen durch die Nacht,
die erste grinst, die zweite lacht.
Die erste grölt, die zweite singt,
derweil der Wind sie südwärts bringt.
Ein Bauer schaut hinauf und raunt:
»Warum sind die so gut gelaunt?«
»Ich denke, es muss daran liegen,
dass Ziegen ziemlich selten fliegen.«
 

Ein König kommt nach Deutschland

Ein König kam nach Wuppertal
und wollte dort befehlen.
Das war den Leuten schnurzegal,
sie wollten lieber wählen.

Ein König kam nach Gütersloh
und suchte Untertanen.
Dort führte man ihn in den Zoo
und schenkte ihm Bananen.

Da nahm der König rasch Reißaus
zur Insel seiner Träume.
Dort herrscht er über eine Maus,
drei Flöhe und fünf Bäume.
 

Erscheinung

Auf einer Wendeltreppe
an einem Donnerstag
erschienen ein Volksschuldirektor
und ein Bezirksschulinspektor
aus Wien, Stettin oder Prag.

Sie rutschten übers Geländer,
sie zogen einander am Ohr,
sie warfen mit Kreiden und Schwämmen,
sie rülpsten und bliesen auf Kämmen
und auf einem Ofenrohr.

Auf einer Wendeltreppe
an einem Donnerstag
verschwanden ein Volksschuldirektor
und ein Bezirksschulinspektor
beim ersten Glockenschlag.
 

© Gerald Jatzek

Gerald Jatzek lebt als Schriftsteller, Musiker und Journalist in Wien. Er schreibt für Kinder und Erwachsene, tritt auf Festivals wie dem Erlanger Poetenfest oder dem Berliner Literaturfestival auf und wurde 2001 mit dem Österreichischen Staatspreis für Kinderlyrik ausgezeichnet. Für junge Leser und Zuhörer schreibt er, weil er die Sprache als ein faszinierendes und die Phantasie anregendes Spielzeug versteht. Jatzek hat einen Gedichtband für Kinder mit demTitel »Rabauken-Reime« (Residenz Verlag, 2011) sowie zwei Lyrikbände für Erwachsene veröffentlicht: »Jedermann ist verdächtig« (Grasl Verlag 1992) und »Die Lieder riechen nach Thymian« (Verlag Berger, 2014). Weitere Publikationen beinhalten Kindererzählungen wie »Der Schnüffelbold« (Obelisk Verlag, 2012), Sachbücher und Kurzgeschichten.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 24: Sieben unveröffentlichte Kindergedichte von Franz Hohler

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Der Geier

Ein Südtiroler Lämmergeier
Der brütete die falschen Eier

Und als die erste Schale krachte
Kam es anders, als er dachte:

Aus den Eiern schlüpften Affen!
Das macht dem Geier schwer zu schaffen.
 

Zwei Krähen

Zwei Krähen hatten ständig Streit.
Die eine wollte nach Kuweit
Die andre rief: »Zu weit! Zu weit!
Komm lieber nach Amerika!«

Die andre rief: »Zu nah! Zu nah!«
So lagen sie sich in den Haaren
Und blieben einfach, wo sie waren.
 

Kleine Taube

Eine dumme kleine Taube
Verschluckte einmal eine Schraube.

»War’s gut?«, so fragt sie ihre Mutter.
»Na ja, es fehlte bloß die Butter.«
 

Ein Rabe

Ein Rabe hatte einen Traum:
Er hockte statt auf einem Baum

Auf dem Masten eines Schiffes
Und fuhr hinaus aufs weite Meer.

Er wachte auf, und er begriff es:
Es war ein Traum, nicht mehr.
 

Murmeltier

Ein dickes altes Murmeltier
Fand einmal eine Dose Bier.

Es ging sogleich zu sich nach Haus
Und trank die ganze Dose aus.

Dann schlief es ein mit tiefem Schnauf
Wacht erst im Frühling wieder auf.
 

Der Bahnhofspatz

Ein kleiner frecher Bahnhofspatz
Der hatte seinen festen Platz

Auf einer großen Abfahrtstafel
Fraß Pizza, Sandwich und Falafel

Und kannte Züge, Zeiten, Gleise.
Da traf er einmal eine Meise

Die war so hübsch und war noch ledig
Und beide fuhren nach Venedig.
 

Ein Reh

Ein Reh geriet in ein Gewitter
Und meldete sofort auf Twitter:

Ich steh im Wald in tiefster Nacht
Und höre, wie es ringsum kracht!

Soeben ging mein Kind verloren:
Getupfter Rücken, lange Ohren.

Ich warte auf den nächsten Blitz
Dann finde ich vielleicht mein Kitz.
 

© Franz Hohler

Franz Hohler zählt zu den bedeutendsten Autoren der Schweiz. Er hat Romane und Erzählungen für Erwachsene und Kinder geschrieben. Viele seiner Texte zeichnen sich durch abgründigen Humor und eine skurrile Komik aus. Nicht umsonst war er jahrelang mit eigenen Kabarett-Programmen auf Reisen. Zu seinen schönsten Kinderbüchern zählen der Geschichtenband »Das große Buch« (2009) und der äußerst erfolgreiche Gedichtband »Es war einmal ein Igel« (2011). Franz Hohler lebt und arbeitet in Zürich.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 25: Sieben Kindergedichte von Mathias Jeschke

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Zufall

Horch, es tagt.
Ich bin es, der das sagt.
Noch ist es kühl,
doch ich hab so ein Gefühl:
Heute wird mir was gelingen.
Die Vöglein singen,
dass es Morgen werde.
Ein erster Schein fällt auf die Erde.
Ich heb ihn auf
und sehe, es sind 100 €!
Ich lache, weil ich mich freu, wo
auch mir mal etwas zufällt –
und sei es Geld.

 

Kontro-Verse

Ich bin ganz dagegen
und will euch widerlegen,
das sagt euch dies Gedicht.
Und glaubt ihr mir noch nicht,
dann sag ich’s noch einmal:
Ihr alle könnt mich mal!
Ihr liegt doch ganz daneben,
ich werd euch Kontra geben.
Ihr wollt nicht auf mich hören?
Es stimmt! Ich kann‘s beschwören!
Ach, bleibt mir doch gestohlen.
Ich kann nur wiederholen –
ihr werdet’s wissen, eh es tagt:
Wenn ihr das meint, was ihr da sagt –
ihr irrt! Es stimmt nicht! Nein!
Ich habe recht! Nun seht’s doch ein.

 

Leibgericht

Dass es gut riecht,
berührt mich nicht.
Wenn einer schon die Nüstern biegt,
bewahr ich Ruhe im Gesicht.

Dass es gut aussieht,
lässt mich kalt.
Was andre so in seinen Bann zieht,
das nimmt mir nicht den Seelenhalt.

Dass es gut schmeckt,
ist nicht viel wert.
Wenn einer sich die Lippen leckt,
lässt mich das völlig ungenährt.

Erst, wenn’s gut klingt,
fühl ich mich wohler.
Mein Magen singt
bei Rosenkohl und Dosencola.

 

Wer hat denn nun schuld?

Wir vielleicht?
Vielleicht sie?
Ich vielleicht?
Vielleicht er?
Viel leichter
wär’s, wenn du
mal bei dir selber,
lachen alle Kälber,
dumme Kuh!

 

Alle sauber!

Wirschen
Ihrschen
Erschen
Ichschen
Sieschen
Duschen

 

Fragen an die Küche

Warum ist denn die Butter heute so
ausgelassen?

Und was ist denn wohl den Tomaten
passiert?

Welcher Kunstbanause hat denn die Milch
entrahmt?

Und was hat denn bloß den Teig so
gerührt?

 

Frühling

Überm frühbesonnten Feld
steigt hinauf in seine Welt,
höher als die Schar der Lerchen,
ein verliebtes Drachenpärchen.

Streichelt sich mit bunten Bändern,
kost sich zwischen Wolkenrändern.
Es lieben sich am Himmelsblau
so Drachenmann und Drachenfrau.

 

© Mathias Jeschke

 

Mathias Jeschke ist Schriftsteller. Sein Geld verdient er aber vor allem durch die Arbeit in einem Verlag. Im Boje Verlag hat er zwei sprachspielerische Bilderbücher mit den Titeln »Der Wechstabenverbuchsler« und »Der Wechstabenverbuchsler im Zoo« (illustriert von Karsten Teich) sowie einen Gedichtband für Kinder mit dem Titel »Wie das Wiesel dem Riesen den Marsch blies« veröffentlicht. Seit einigen Jahren reist er mit seinen Gedichten und Geschichten durchs Land und infiziert Kinder und Erwachsene mit dem Sprachspielvirus. Er ist der festen Überzeugung, dass Kinder, die spielerisch mit Sprache umgehen, die beste Voraussetzung haben, phantasievolle und kluge Menschen zu werden. Jeschke lebt mit seiner Frau in Stuttgart. Gerade ist von ihm auch unter dem Titel »Luftstudien« sein fünfter Gedichtband für Erwachsene erschienen (edition offenes feld, Dortmund, 2016).

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.


Gedichte für Kinder – Folge 26: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte von Gerhard Rühm

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

gesellschaft

ein löwriger löwe
ein tigernder tiger
und ein schäfliches schaf
standen am straßenrand
still und brav
sahen sich an
und waren gespannt
wie lange das jeder durchhalten kann
 

mundgerecht
ein hundgedicht

der hund hat eine schnauze.

schnauze – und was nun?
das kann es doch nicht sein,
ich denke, nein,
da muss man etwas tun!

wie gut klingt mund
zu hund,
wie widerborstig schnauze!

sie reckt sich in die quere
wie eine offne schere,
stört hässlich das gedicht –
sie reimt und reimt sich nicht.
schnauze, nichts, nur schnauze!

drum nenne man beim hund
die schnauze besser mund.

doch wie steht’s mit maul?
– reimt sich nicht auf hund.
und aus diesem grund
spricht man von nem maul
nur bei einem gaul.
einerlei –
es bleibt dabei:

am besten klingt der hund
mit mund.
 

verunglücktes abzählgedicht

eins
zwei
drei
vier
fünf
sechs
sieben
acht
neun
zehen
eine fehlt
 

unguter abzählreim

um halb zwei
wars schon drei
um halb acht
wars noch nacht
um fünf vor vier
war jemand hier
kurz nach zehn
ists dann geschehn
 

bild und nagel

das bild, das an dem nagel hängt,
mit diesem ein gespräch anfängt.
des bildes hochmut, schon abscheulich,
ist für den nagel nicht erfreulich:
»was, simpler nagel, bist du schon?«,
ertönt das bild mit frechem hohn,
»alle blicken nur auf mich,
kein einziger beachtet dich.«

»nun höre zu, was ich drauf sage:
man sieht dich nur, weil ich dich trage.
Mein starker arm ist deine stütze,
wie der haken für die mütze.
wenn ich den kopf nur etwas neige –
reiz mich nicht, dass ich dirs zeige!,
fällst du krachend aufs parkett.
da findet man dich nicht mehr nett!«

das bild besinnt sich, was ihm eigen:
nicht mehr zu reden, nur zu schweigen.
 

Balladeske

»rette sich wer kann!«
so fängt die strophe an.
da fliehen ross und reiter.
wie geht es nun weiter?

die szene zeigt sich leer,
keinen sieht man mehr.
so endet dieses lied,
weil nichts mehr geschieht.
 

© Gerhard Rühm

Gerhard Rühm studierte Klavier und Komposition an der Universität Wien. Seit den 1950er Jahren beschäftigt er sich mit der Musik der Sprache und schuf Sprechtexte fürs Theater sowie unzählige Lautgedichte und wurde für seine Arbeiten im Grenzbereich zwischen Musik, Sprache und Gestik immer wieder ausgezeichnet. Viele seiner Gedichte eignen sich ideal für Kinder, wurden jedoch, ähnlich wie bei Ernst Jandl, nicht bewusst für Kinder geschrieben. So gibt es bis heute leider auch keinen Auswahlband mit Gedichten, die sich besonders für Kinder eignen. Gerhard Rühm lebt inzwischen in Köln und erhielt die Ehrendoktorwürde der dortigen Universität.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 27: Sieben unveröffentlichte Kindergedichte von Michael Augustin

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Träume sind Schäume

Ich hab
von einem Geist
geträumt

der hat
mein Zimmer
aufgeräumt

Doch doof war’s
danach aufzuwachen
denn jetzt muss ich
es selber machen

(sagt meine Mama)
 

Guter Rat

Das Gürteltier
trinkt zu viel Bier.

Oha! Au wei!
Wat nu?

Jetzt geht
der Gürtel
nicht mehr zu!

Da kann man
wohl nur sagen:
es soll Hosenträger
tragen.
 

Ein paar Fragen

Schneiden
Spatzen Fratzen?

Leben Läuse
auch auf Glatzen?

Können Katzen
mit den Tatzen
jazzen?

Können Fische
schmatzen
oder schwatzen?

Können sie sich
kratzen?

Gibt es
Luftmatratzen,
die nicht platzen,
wenn Nilpferde
drauf ratzen?
 

Gute Nacht

Die Dunkelheit
schaut zu mir rein
und freut sich
dass noch Licht ist

Doch ich will
endlich schlafen gehn

und sag ihr,
dass jetzt Schicht ist
 

Heini Lütt

Heini Lütt
der ist so klein,
der passt in eine
Schachtel rein.

Er schießt mit
Erbsen auf das Tor
und singt
in einem Spatzenchor.

Er trinkt aus
einem Fingerhut
was sonst nicht mal
mein Hamster tut.

Er badet in der
Regenpfütze
und wohnt in
meiner Pudelmütze.
 

Schneckenwettlauf

Zwei Schnecken
wetzen um die Wette
für eine
Meisterschaftsplakette.

Es ist ein
ziemlich lahmes Rennen.
Das Publikum
fängt an zu pennen.

Keiner sieht,
wer hier gewinnt,
weil alle schon
am Schnarchen sind.

Zurück bleibt nur
ein wenig Schleim:
Das trifft sich gut
für diesen Reim.
 

Sommertag
Ganz schön
heiß
an der See

selbst
die Mantelmöwe
fliegt heute im T-Shirt
 

© Michael Augustin

Michael Augustin wuchs an der Ostseeküste auf, wo er Donnerkeile sammelte, mit seinem Opa angelte, als Junge anfing Gedichte zu schreiben, zur Schule ging und an der Kieler Uni studierte. Seit über fünf Hundejahren schreibt er Bücher und lebt mit seiner Frau, der indischen Dichterin Sujata Bhatt, in Bremen. Als seine Tochter Jenny noch klein war, hat er für sie und mit ihr zusammen Geschichten erfunden und manchmal aufgeschrieben. Seitdem hat er eigentlich nie speziell für Kinder geschrieben, weiß aber aus Erfahrung, dass viele seiner schrägen Minigeschichten und manchmal ulkigen Gedichte, die er in seinen Büchern veröffentlicht hat, Kindern mindestens genauso gut gefallen wie Erwachsenen. Tatsächlich ist es so, sagt Augustin, dass er, wenn es ringsum ganz still ist und er sich die Zeit nimmt, in sich selbst hineinzuhorchen, noch das Echo seiner eigenen Kinderstimme hören kann. Angeregt durch ein Lyrikwochenende auf Schloss Blutenburg bei München, wo ein paar Dichterinnen und Dichter zusammenkamen, um Gedichte für Kinder zu schreiben und direkt vor ihnen auszuprobieren, ist die eigene Kinderstimme wieder ganz laut geworden. Seither bastelt er an einem ersten Kindergedichtband.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 23: Sechs Kindergedichte von Gerald Jatzek

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Die Sprachspinner

Wenn Spinnen spinnen
und Fliegen fliegen,
könnte man glauben,
dass Ziegen ziegen.

Wenn Robben robben
und Schaben schaben,
möchte man meinen,
dass Raben raben.

Wenn Wogen wogen
Und Ritter rittern,
könnte man glauben,
dass Gitter gittern.

Wenn Klappern klappern
und Rasseln rasseln,
könnte man denken,
dass Asseln asseln.

Wenn Pfeifen pfeifen
und Flöten flöten,
möchte man meinen,
dass Kröten kröten.

Wenn Geigen geigen,
dass Feigen feigen.
Wenn Hacken hacken
dass Zacken zacken.
Wenn Schrauben schrauben,
dass Tauben tauben.
Wenn Krähen krähen,
dass Zehen zehen.
Wenn Rollen rollen,
dass Knollen knollen.
Doch lasst euch nicht verwirren,
wenn die Irren irren.
 

Buntes Frühstück

Der Storch, die Schwalbe und die Sau
schlürfen eine Flasche Blau.

Die Gans, der Gockel und die Geiß
essen Gelb, Orange und Weiß.

Der Otter und der Ozelot
laben sich mit Grün und Rot.

Der Fuchs, der Falke und der Fink
trinken einen Becher Pink.

Die Kuh, das Kalb und der Kapaun
futtern einen Kessel Braun.

Das Pferd, der Panther und der Pfau
speisen Rosa, Schwarz und Grau.

Und alle sagen: »Ungelogen,
gut schmeckt so ein Regenbogen.«
 

Urlaub am Meer

Die Schnipse, der Schnarker, das Kroppeldadum
schauten gemeinsam aufs Meer,
die Schnipse war lang.
der Schnarker war kurz,
das Kroppeldadum ziemlich schwer.

Am Morgen, zu Mittag, am Abend, zur Nacht
schauten die drei auf die Wellen.
Zwei blieben stumm,
das Kroppeldadum
miaute sein grunzendes Bellen.

Sie schauten und schauten und sahen nicht viel.
Das Meer war weitgehend leer.
Sie sahen ein Schiff
draußen beim Riff.
Ansonsten war da nicht mehr.

Die Schnipse, der Schnarker, das Kroppeldadum
schauten zwei Wochen aufs Meer,
dann meinten die drei:
»Das ist jetzt vorbei.
Hier fahren wir nie wieder her.«
 

Nachtflug

Zwei Ziegen fliegen durch die Nacht,
die erste grinst, die zweite lacht.
Die erste grölt, die zweite singt,
derweil der Wind sie südwärts bringt.
Ein Bauer schaut hinauf und raunt:
»Warum sind die so gut gelaunt?«
»Ich denke, es muss daran liegen,
dass Ziegen ziemlich selten fliegen.«
 

Ein König kommt nach Deutschland

Ein König kam nach Wuppertal
und wollte dort befehlen.
Das war den Leuten schnurzegal,
sie wollten lieber wählen.

Ein König kam nach Gütersloh
und suchte Untertanen.
Dort führte man ihn in den Zoo
und schenkte ihm Bananen.

Da nahm der König rasch Reißaus
zur Insel seiner Träume.
Dort herrscht er über eine Maus,
drei Flöhe und fünf Bäume.
 

Erscheinung

Auf einer Wendeltreppe
an einem Donnerstag
erschienen ein Volksschuldirektor
und ein Bezirksschulinspektor
aus Wien, Stettin oder Prag.

Sie rutschten übers Geländer,
sie zogen einander am Ohr,
sie warfen mit Kreiden und Schwämmen,
sie rülpsten und bliesen auf Kämmen
und auf einem Ofenrohr.

Auf einer Wendeltreppe
an einem Donnerstag
verschwanden ein Volksschuldirektor
und ein Bezirksschulinspektor
beim ersten Glockenschlag.
 

© Gerald Jatzek

Gerald Jatzek lebt als Schriftsteller, Musiker und Journalist in Wien. Er schreibt für Kinder und Erwachsene, tritt auf Festivals wie dem Erlanger Poetenfest oder dem Berliner Literaturfestival auf und wurde 2001 mit dem Österreichischen Staatspreis für Kinderlyrik ausgezeichnet. Für junge Leser und Zuhörer schreibt er, weil er die Sprache als ein faszinierendes und die Phantasie anregendes Spielzeug versteht. Jatzek hat einen Gedichtband für Kinder mit demTitel »Rabauken-Reime« (Residenz Verlag, 2011) sowie zwei Lyrikbände für Erwachsene veröffentlicht: »Jedermann ist verdächtig« (Grasl Verlag 1992) und »Die Lieder riechen nach Thymian« (Verlag Berger, 2014). Weitere Publikationen beinhalten Kindererzählungen wie »Der Schnüffelbold« (Obelisk Verlag, 2012), Sachbücher und Kurzgeschichten.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 24: Sieben unveröffentlichte Kindergedichte von Franz Hohler

$
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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Der Geier

Ein Südtiroler Lämmergeier
Der brütete die falschen Eier

Und als die erste Schale krachte
Kam es anders, als er dachte:

Aus den Eiern schlüpften Affen!
Das macht dem Geier schwer zu schaffen.
 

Zwei Krähen

Zwei Krähen hatten ständig Streit.
Die eine wollte nach Kuweit
Die andre rief: »Zu weit! Zu weit!
Komm lieber nach Amerika!«

Die andre rief: »Zu nah! Zu nah!«
So lagen sie sich in den Haaren
Und blieben einfach, wo sie waren.
 

Kleine Taube

Eine dumme kleine Taube
Verschluckte einmal eine Schraube.

»War’s gut?«, so fragt sie ihre Mutter.
»Na ja, es fehlte bloß die Butter.«
 

Ein Rabe

Ein Rabe hatte einen Traum:
Er hockte statt auf einem Baum

Auf dem Masten eines Schiffes
Und fuhr hinaus aufs weite Meer.

Er wachte auf, und er begriff es:
Es war ein Traum, nicht mehr.
 

Murmeltier

Ein dickes altes Murmeltier
Fand einmal eine Dose Bier.

Es ging sogleich zu sich nach Haus
Und trank die ganze Dose aus.

Dann schlief es ein mit tiefem Schnauf
Wacht erst im Frühling wieder auf.
 

Der Bahnhofspatz

Ein kleiner frecher Bahnhofspatz
Der hatte seinen festen Platz

Auf einer großen Abfahrtstafel
Fraß Pizza, Sandwich und Falafel

Und kannte Züge, Zeiten, Gleise.
Da traf er einmal eine Meise

Die war so hübsch und war noch ledig
Und beide fuhren nach Venedig.
 

Ein Reh

Ein Reh geriet in ein Gewitter
Und meldete sofort auf Twitter:

Ich steh im Wald in tiefster Nacht
Und höre, wie es ringsum kracht!

Soeben ging mein Kind verloren:
Getupfter Rücken, lange Ohren.

Ich warte auf den nächsten Blitz
Dann finde ich vielleicht mein Kitz.
 

© Franz Hohler

Franz Hohler zählt zu den bedeutendsten Autoren der Schweiz. Er hat Romane und Erzählungen für Erwachsene und Kinder geschrieben. Viele seiner Texte zeichnen sich durch abgründigen Humor und eine skurrile Komik aus. Nicht umsonst war er jahrelang mit eigenen Kabarett-Programmen auf Reisen. Zu seinen schönsten Kinderbüchern zählen der Geschichtenband »Das große Buch« (2009) und der äußerst erfolgreiche Gedichtband »Es war einmal ein Igel« (2011). Franz Hohler lebt und arbeitet in Zürich.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 25: Sieben Kindergedichte von Mathias Jeschke

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Zufall

Horch, es tagt.
Ich bin es, der das sagt.
Noch ist es kühl,
doch ich hab so ein Gefühl:
Heute wird mir was gelingen.
Die Vöglein singen,
dass es Morgen werde.
Ein erster Schein fällt auf die Erde.
Ich heb ihn auf
und sehe, es sind 100 €!
Ich lache, weil ich mich freu, wo
auch mir mal etwas zufällt –
und sei es Geld.

 

Kontro-Verse

Ich bin ganz dagegen
und will euch widerlegen,
das sagt euch dies Gedicht.
Und glaubt ihr mir noch nicht,
dann sag ich’s noch einmal:
Ihr alle könnt mich mal!
Ihr liegt doch ganz daneben,
ich werd euch Kontra geben.
Ihr wollt nicht auf mich hören?
Es stimmt! Ich kann‘s beschwören!
Ach, bleibt mir doch gestohlen.
Ich kann nur wiederholen –
ihr werdet’s wissen, eh es tagt:
Wenn ihr das meint, was ihr da sagt –
ihr irrt! Es stimmt nicht! Nein!
Ich habe recht! Nun seht’s doch ein.

 

Leibgericht

Dass es gut riecht,
berührt mich nicht.
Wenn einer schon die Nüstern biegt,
bewahr ich Ruhe im Gesicht.

Dass es gut aussieht,
lässt mich kalt.
Was andre so in seinen Bann zieht,
das nimmt mir nicht den Seelenhalt.

Dass es gut schmeckt,
ist nicht viel wert.
Wenn einer sich die Lippen leckt,
lässt mich das völlig ungenährt.

Erst, wenn’s gut klingt,
fühl ich mich wohler.
Mein Magen singt
bei Rosenkohl und Dosencola.

 

Wer hat denn nun schuld?

Wir vielleicht?
Vielleicht sie?
Ich vielleicht?
Vielleicht er?
Viel leichter
wär’s, wenn du
mal bei dir selber,
lachen alle Kälber,
dumme Kuh!

 

Alle sauber!

Wirschen
Ihrschen
Erschen
Ichschen
Sieschen
Duschen

 

Fragen an die Küche

Warum ist denn die Butter heute so
ausgelassen?

Und was ist denn wohl den Tomaten
passiert?

Welcher Kunstbanause hat denn die Milch
entrahmt?

Und was hat denn bloß den Teig so
gerührt?

 

Frühling

Überm frühbesonnten Feld
steigt hinauf in seine Welt,
höher als die Schar der Lerchen,
ein verliebtes Drachenpärchen.

Streichelt sich mit bunten Bändern,
kost sich zwischen Wolkenrändern.
Es lieben sich am Himmelsblau
so Drachenmann und Drachenfrau.

 

© Mathias Jeschke

 

Mathias Jeschke ist Schriftsteller. Sein Geld verdient er aber vor allem durch die Arbeit in einem Verlag. Im Boje Verlag hat er zwei sprachspielerische Bilderbücher mit den Titeln »Der Wechstabenverbuchsler« und »Der Wechstabenverbuchsler im Zoo« (illustriert von Karsten Teich) sowie einen Gedichtband für Kinder mit dem Titel »Wie das Wiesel dem Riesen den Marsch blies« veröffentlicht. Seit einigen Jahren reist er mit seinen Gedichten und Geschichten durchs Land und infiziert Kinder und Erwachsene mit dem Sprachspielvirus. Er ist der festen Überzeugung, dass Kinder, die spielerisch mit Sprache umgehen, die beste Voraussetzung haben, phantasievolle und kluge Menschen zu werden. Jeschke lebt mit seiner Frau in Stuttgart. Gerade ist von ihm auch unter dem Titel »Luftstudien« sein fünfter Gedichtband für Erwachsene erschienen (edition offenes feld, Dortmund, 2016).

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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Gedichte für Kinder – Folge 26: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte von Gerhard Rühm

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

gesellschaft

ein löwriger löwe
ein tigernder tiger
und ein schäfliches schaf
standen am straßenrand
still und brav
sahen sich an
und waren gespannt
wie lange das jeder durchhalten kann
 

mundgerecht
ein hundgedicht

der hund hat eine schnauze.

schnauze – und was nun?
das kann es doch nicht sein,
ich denke, nein,
da muss man etwas tun!

wie gut klingt mund
zu hund,
wie widerborstig schnauze!

sie reckt sich in die quere
wie eine offne schere,
stört hässlich das gedicht –
sie reimt und reimt sich nicht.
schnauze, nichts, nur schnauze!

drum nenne man beim hund
die schnauze besser mund.

doch wie steht’s mit maul?
– reimt sich nicht auf hund.
und aus diesem grund
spricht man von nem maul
nur bei einem gaul.
einerlei –
es bleibt dabei:

am besten klingt der hund
mit mund.
 

verunglücktes abzählgedicht

eins
zwei
drei
vier
fünf
sechs
sieben
acht
neun
zehen
eine fehlt
 

unguter abzählreim

um halb zwei
wars schon drei
um halb acht
wars noch nacht
um fünf vor vier
war jemand hier
kurz nach zehn
ists dann geschehn
 

bild und nagel

das bild, das an dem nagel hängt,
mit diesem ein gespräch anfängt.
des bildes hochmut, schon abscheulich,
ist für den nagel nicht erfreulich:
»was, simpler nagel, bist du schon?«,
ertönt das bild mit frechem hohn,
»alle blicken nur auf mich,
kein einziger beachtet dich.«

»nun höre zu, was ich drauf sage:
man sieht dich nur, weil ich dich trage.
Mein starker arm ist deine stütze,
wie der haken für die mütze.
wenn ich den kopf nur etwas neige –
reiz mich nicht, dass ich dirs zeige!,
fällst du krachend aufs parkett.
da findet man dich nicht mehr nett!«

das bild besinnt sich, was ihm eigen:
nicht mehr zu reden, nur zu schweigen.
 

Balladeske

»rette sich wer kann!«
so fängt die strophe an.
da fliehen ross und reiter.
wie geht es nun weiter?

die szene zeigt sich leer,
keinen sieht man mehr.
so endet dieses lied,
weil nichts mehr geschieht.
 

© Gerhard Rühm

Gerhard Rühm studierte Klavier und Komposition an der Universität Wien. Seit den 1950er Jahren beschäftigt er sich mit der Musik der Sprache und schuf Sprechtexte fürs Theater sowie unzählige Lautgedichte und wurde für seine Arbeiten im Grenzbereich zwischen Musik, Sprache und Gestik immer wieder ausgezeichnet. Viele seiner Gedichte eignen sich ideal für Kinder, wurden jedoch, ähnlich wie bei Ernst Jandl, nicht bewusst für Kinder geschrieben. So gibt es bis heute leider auch keinen Auswahlband mit Gedichten, die sich besonders für Kinder eignen. Gerhard Rühm lebt inzwischen in Köln und erhielt die Ehrendoktorwürde der dortigen Universität.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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Gedichte für Kinder – Folge 27: Sieben unveröffentlichte Kindergedichte von Michael Augustin

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Träume sind Schäume

Ich hab
von einem Geist
geträumt

der hat
mein Zimmer
aufgeräumt

Doch doof war’s
danach aufzuwachen
denn jetzt muss ich
es selber machen

(sagt meine Mama)
 

Guter Rat

Das Gürteltier
trinkt zu viel Bier.

Oha! Au wei!
Wat nu?

Jetzt geht
der Gürtel
nicht mehr zu!

Da kann man
wohl nur sagen:
es soll Hosenträger
tragen.
 

Ein paar Fragen

Schneiden
Spatzen Fratzen?

Leben Läuse
auch auf Glatzen?

Können Katzen
mit den Tatzen
jazzen?

Können Fische
schmatzen
oder schwatzen?

Können sie sich
kratzen?

Gibt es
Luftmatratzen,
die nicht platzen,
wenn Nilpferde
drauf ratzen?
 

Gute Nacht

Die Dunkelheit
schaut zu mir rein
und freut sich
dass noch Licht ist

Doch ich will
endlich schlafen gehn

und sag ihr,
dass jetzt Schicht ist
 

Heini Lütt

Heini Lütt
der ist so klein,
der passt in eine
Schachtel rein.

Er schießt mit
Erbsen auf das Tor
und singt
in einem Spatzenchor.

Er trinkt aus
einem Fingerhut
was sonst nicht mal
mein Hamster tut.

Er badet in der
Regenpfütze
und wohnt in
meiner Pudelmütze.
 

Schneckenwettlauf

Zwei Schnecken
wetzen um die Wette
für eine
Meisterschaftsplakette.

Es ist ein
ziemlich lahmes Rennen.
Das Publikum
fängt an zu pennen.

Keiner sieht,
wer hier gewinnt,
weil alle schon
am Schnarchen sind.

Zurück bleibt nur
ein wenig Schleim:
Das trifft sich gut
für diesen Reim.
 

Sommertag
Ganz schön
heiß
an der See

selbst
die Mantelmöwe
fliegt heute im T-Shirt
 

© Michael Augustin

Michael Augustin wuchs an der Ostseeküste auf, wo er Donnerkeile sammelte, mit seinem Opa angelte, als Junge anfing Gedichte zu schreiben, zur Schule ging und an der Kieler Uni studierte. Seit über fünf Hundejahren schreibt er Bücher und lebt mit seiner Frau, der indischen Dichterin Sujata Bhatt, in Bremen. Als seine Tochter Jenny noch klein war, hat er für sie und mit ihr zusammen Geschichten erfunden und manchmal aufgeschrieben. Seitdem hat er eigentlich nie speziell für Kinder geschrieben, weiß aber aus Erfahrung, dass viele seiner schrägen Minigeschichten und manchmal ulkigen Gedichte, die er in seinen Büchern veröffentlicht hat, Kindern mindestens genauso gut gefallen wie Erwachsenen. Tatsächlich ist es so, sagt Augustin, dass er, wenn es ringsum ganz still ist und er sich die Zeit nimmt, in sich selbst hineinzuhorchen, noch das Echo seiner eigenen Kinderstimme hören kann. Angeregt durch ein Lyrikwochenende auf Schloss Blutenburg bei München, wo ein paar Dichterinnen und Dichter zusammenkamen, um Gedichte für Kinder zu schreiben und direkt vor ihnen auszuprobieren, ist die eigene Kinderstimme wieder ganz laut geworden. Seither bastelt er an einem ersten Kindergedichtband.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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Gedichte für Kinder – Folge 28: Acht Kindergedichte von Lorenz Pauli

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Koffer packen

Was ich für die Reise brauche:
Taucherbrille, falls ich tauche.
Seile, falls ich klettern gehe.
Fernrohr, falls ich Inseln sehe.
Fallschirm (denn man kann nie wissen …),
unbedingt mein Kuschelkissen.
Und ich brauche unser Klo.
Nur das eigne Klo macht froh.
 

Weltrekord

Man wundert sich, bewundert mich:
Der schnellste Mensch der Welt bin ich.
Die nächste Runde schaff ich noch
Ja! Nochmals schneller, wusst ich‘s doch!
Da! Plötzlich überholt man mich!
Wer hat mich überholt? Na, ich!
 

Hoffnung

Ich mache ein Paket
aus mir und oben steht
als Adressat nur dies:
›Paradies‹
Seit langem trägt die Post
mich nun von West nach Ost.
Und dann von Ost nach West.
Ich hoffe einfach fest,
ich komme irgendwann
auch an.
 

Ganz bestimmt

Überall auf dieser Welt
gibt’s ein Herz, das zu dir hält.

(Das Gedicht könnt länger sein.
Muss es das? Ich denke nein.)
 

Im Dunkeln

So ein Mist! So ein Mist!
Ohne Licht, ohne Licht
seh ich nicht, seh ich nicht,
wo die Taschenlampe ist.
 

Großwildjagd

Kater Jim jagt Maus um Maus,
bringt sie mir dann tot nach Haus.
Lieber Kater: Muss das sein?
Nein, ich find das echt gemein!
Kleine jagen ist nicht fair!
Jag die Großen, bitte sehr!

Kater Jim hat nachgedacht,
hat sich aus dem Staub gemacht.
Blieb drei Tage weg von mir,
endlich ist er wieder hier.
Und nun bringt er uns nach Haus:
Kühe, Autos und Herrn Kraus.
 

Leise reisen

Leise reisen leicht gemacht:
Ich reis leise durch die Nacht.
Nachts zu reisen ist nicht schwer.
Traumhaft, dieses Meer!
 

Naturkunde

Die Elefanten
haben keine Kanten.
Die Eulen
haben keine Beulen.
Die Schnecken
haben keine Ecken.
Die Forellen
haben keine Dellen.
Und was habe ich?
Nicht dich.
 

© Lorenz Pauli

Lorenz Pauli arbeitete 25 Jahre als Kindergärtner und lebt heute als freier Autor in Bern. Er hat ungefähr 30 Kinderbücher geschrieben, die meisten Bilderbücher schuf er in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Kathrin Schärer. Pauli schreibt auch in seinem Berner Dialekt Gedichte und Geschichten: »Unsere Mundart ist ein zentraler Teil unserer Identität. Die muss leben. Es braucht frischen Wind … auch wenn er von vorbeidonnernden LKWs stammt«, sagt er. Pauli hat »Le Petit Prince« von Antoine de Saint-Exupéry und Erich Kästners »Das verhexte Telefon« ins Berndeutsche übersetzt. Für seinen ersten berndeutschen Gedichtband »E chlyni Chue mit Wanderschue« erhielt er 2003 die Ehrenurkunde zum Österreichischen Staatspreis für Kinderlyrik. Lorenz Pauli schreibt auch Liedertexte und arbeitet zurzeit an einer Kinderoper.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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Gedichte für Kinder – Folge 29: Fünf Kindergedichte von Jan-Eike Hornauer

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Unerwarteter Besuch

Ein Walross sitzt auf meinem Schoß.
Ich frage es: »Wieso denn bloß?«
Es guckt mich friedlich-freundlich an,
macht einen Rülps und sagt sodann:
»Zum Sitzen gibt’s in diesem Zimmer
nur diesen Stuhl. Und frei war nimmer
das wahrlich selt‘ne Möbelstück.
Zudem birgt Kuscheln echtes Glück.«
Ach so, na dann und recht besehen:
Zu zweit zu sitzen wird schon gehen …
 

Der Holzwurm

Ein Holzwurm nagte sich durchs Holz
und war aufs Nagen sichtlich stolz.
So sprach er mit geschwellter Brust:
»Der Holzfraß ist die reine Lust.«

Und nagte schnell und immer schneller
vom Dach hinab bis in den Keller.
Ließ keinen Balken aus und nagte
von abends spät bis wenn es tagte.

Und morgens, mittags nagt‘ er weiter,
zernagte selbst die Bodenleiter.
Erst als er alles weggenagt,
da hat ihn große Schuld geplagt.

Wo soll ich denn jetzt weiter nagen?
Mir knurrt verflucht der Holzwurmmagen.
 

Schlaflied

Ein Einhorn hab ich mir gedacht.
Es schlief, drum stupste ich es an,
da ist es gleich von aufgewacht,
wir spielten wunderbar fortan.

Und als der Abend näher rückte,
da ritten wir zum Regenbogen.
Was mich dabei total entzückte:
Ein Stückchen sind wir gar geflogen!

Mein Einhorn schläft nun wieder fest.
Es ist im Land der Fantasie.
Was mich auch friedlich schlummern lässt,
so schnell und tief wie nie.
 

Beim Abreißen der Blütenblätter

Ich schreib ein komisches Gedicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib es nicht.
Ich schreib’s. – Ich schreib’ es nicht.

Ach, Mist!
 

Froschballade

Ein Frosch sitzt still an einem Teich,
die andren Frösche tun’s ihm gleich.
Sodann fängt er zu quaken an
und plötzlich quaken alle Mann.

Er denkt sich stolz: »Hier im Revier
bin ich der Boss, das Alphatier!«
Und quakt noch lauter als zuvor,
er ist ja Chef, nicht nur im Chor!

Doch, wer am Teich der Größte ist,
merkt auch ein Junge, und mit List
samt Keschernetz fängt er ihn ein,
setzt ihn in ein Terrarium rein.

Der Frosch bleibt, ohne Publikum,
für das er quakt, von jetzt an stumm.
Der Junge ist das schließlich leid:
»Du quakst nicht mal von Zeit zu Zeit!«

Er bringt den Frosch zum Teich zurück.
Der Frosch denkt sich: »Mann, was ein Glück!«
Und quakt aus Freude bald ganz laut
sowie damit sich niemand traut,

noch selber hier als Alphatier …
Der Teich ist schließlich sein Revier!
Er quakt echt herrlich, Stund um Stund
und geht alsbald daran zugrund.

Ein Storch bekommt so Appetit
und nimmt ihn im Vorbeiflug mit.
Der Frosch, er war der Chef am Teich,
ein andrer übernimmt sogleich.

Und zeigt durch lautes Quaken an,
dass er allein der Boss sein kann …
 

© Jan-Eike Hornauer

Jan-Eike Hornauer bezeichnet sich gern als leidenschaftlicher Textzüchter (freier Lektor, Texter, Autor und Herausgeber). Er ist in Lübeck geboren, in Hausen bei Aschaffenburg aufgewachsen und lebt heute in München. Seine ganze Leidenschaft gilt der Lyrik, seine Vorbilder sind u. a. Wilhelm Busch und Erich Kästner. Er liebt humoreske lange Balladen, auch für Kinder. Sein jüngster Gedichtband für Erwachsene trägt den Titel »Das Objekt ist beschädigt. Zumeist komische Gedichte aus einer brüchigen Welt« (muc Verlag, 2016). Hornauer ist auch Zweiter Vorsitzender des Münchner Künstlervereins »Realtraum«.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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Gedichte für Kinder – Folge 30: Sechs Kindergedichte von Sibylle Hoffmann

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Die Schnecke

Keiner küsst mich.
Ich bin schäbig.
Keiner mag mich.
Ich bin eklig.

Ich bin schleimig,
schwarzrot bräunlich,
krieche traurig.
Keiner mag mich.

Fühler strecken,
bisschen gucken.
Körper recken
Blättchen schlucken.

Bin ein Stummer,
will auch herzen.
Fress voll Kummer,
leb mit Schmerzen.
 

Frost

Es war in einer kalten Nacht,
da bin ich plötzlich aufgewacht.
Den weißen Mond hab ich gesehn
und wo im Zimmer Stühle stehn.

Leise stand ich auf vom Bett,
schlich barfuß über das Parkett.
Mein Teddy rief: Pass auf, Gespenster!
Doch tapfer ging ich bis zum Fenster.

Da lag die Straße still und starr,
ich sah das lange, graue Haar
des Alten, der dort langsam schritt.
‘nen Einkaufswagen zog er mit

vorbei an Autodächern zuckerweiß.
Dann blieb er stehn, der krumme Greis.
Ich sah den Bart, er war voll Frost,
vom Einkaufswagen tropfte Rost.

Ach Mond, sagt’ ich, der Typ erfriert,
ist viel zu lang herumgeirrt!
Ich rührte Milch mit Honig an
und trug sie zu dem krummen Mann.

In seine Hände rot und rau
gab ich den Becher: »Oh, Kakao?«
»Nein, nein, das ist ein Mondgetränk,
schön warm und süß – ist mein Geschenk!«

Am Fenster steh ich heute wieder
im Garten duftet weißer Flieder.
Ich denke an den alten Mann:
Ob er den Flieder riechen kann?

 

Meine Nase

Ich habe eine Nase,
die ist ein Popelhaus,
und wenn mein Finger drin ist,
kommt oft ein Popel raus.
Ich knete ihn ein wenig,
und manchmal etwas mehr.
Das tut man nicht.
Das weiß ich auch,
Popel sind nicht zum Verzehr!
 

Die Fliege

Ich bin eine bedeutende Fliege
Und fliege mit Fliegengepäck
Ich fliege, ich fliege, ich fliege
Und lande mitten im Dreck.

Ich bin eine bedeutende Fliege
Magst du mich etwa nicht?
Ich fliege und fliege und fliege
Und lande in deinem Gesicht.

Ich bin eine bedeutende Fliege
Du findest mich lästig und dumm?
Ich fliege und fliege und fliege
Jetzt schneller im Zimmer herum.

Ich bin eine bedeutende Fliege
Mit Nadelstreifen und so
Ich fliege, ich fliege, ich fliege
Und lande auf deinem Popo.
 

In Dänemark im Picknickpark

Als – lange her – sein Dasein gelblich anfing,
kam er zur Dänenwelt mit kleinem Pling:
ein wackeliger, weicher Sonderling,
ein schaumgeborner glänzend gelber Pudding.

Vor Publikum im schönen Picknickpark
stand er im sommergrünen Dänemark.
Er roch echt gut – so nach Vanillemark –
und dampfte honigsüß und sahnig stark.

Ein Hund erschnupperte Vanillewind
und jagte los in wildem Sprint.
Da schrie sein Herr »Bei Fuß Korint!«

Zu spät! Der Pudding fiel schon um!
Korint, der fraß ihn auf und drum
stand ohne Pudding nun das Publikum –

in Dänemark
im Picknickpark.

 

Rennrad

Mit Sehnsucht schaut das Rennrad
auf den Mann im Schaumbad.
Der schaut verliebt aufs Rennrad
und gibt ihm etwas Schaum ab.

 

© Sibylle Hoffmann

Sibylle Hoffmann wurde 1951 in Berlin geboren. Die Kindheit verbrachte sie in den USA und schrieb ihre ersten Gedichte auf Englisch. Dann musste sie die Sprache wechseln: In Deutschland kam sie aufs Internat und studierte Soziologie und Philosophie. Später wurde sie Hochschuldozentin, Autorin für den ARD-Hörfunk und für Printmedien. Sie hat auch Bücher für Kinder auf Englisch und Deutsch veröffentlicht. Seit 1983 lebt sie in Hamburg und schreibt wieder Gedichte, u. a. für Kinder, denn, so sagt sie, »Reime, Formen und Rhythmen, Witz und Phantasie drängen sich ihr auf und treiben ständig neue Blüten.«

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 31: Sechs unveröffentlichte Kindergedichte von Ute Wegmann

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Mücke

Mücke,
ob ich dich zerdrücke? Dich zerpflücke?
Oder reiß ich dich in Stücke?
Nein!
Sehr zu deinem Glücke
bleibst du
eine blöde Mücke.
 


 

So ein Esel

Ein Esel saß auf einem Baum,
das war nicht echt, das war ein Traum.
Er wippte hin und wippte her,
als ob er ein dickes Vögelchen wär.

Da zwitscherte er plötzlich leise:
Ach, wäre ich doch eine Meise,
ich flöge weiter bis ans Meer,
sagte er.

Und stieß sich ab und schwang sich auf,
flog ein Stück, kam echt gut drauf.
Doch wie in solchen Träumen immer:
Irgendwann fällt man ins Zimmer

Unser Esel in den Stall.
Das gab einen satten Knall!
 


 

Der Einzelfall

Tannen und Fichten standen steif
gefroren unter Winterreif.
Gepudert lagen Wies und Grund,
die Sonne stieg, orange und rund.

Ein Augenblick nur, kurze Dauer,
da sah ich sie, erkannt sie kaum.
Schwarzweiß stand sie, wie eine Mauer
am hart gefrornen Wiesensaum.

Was macht sie da so ganz alleine?
Ich sorgte mich sogleich um sie.
Bewegte keines ihrer Beine.
Was dachte das verirrte Vieh?

Friert sie an den dünnen Ohren?
Sucht sie ihre Artgenossen?
Ist die Milch ihr schon gefroren?
Hat sie Schmerzen, ist verdrossen?

Könnte ich doch zu ihr eilen,
einfach kurz bei ihr verweilen,
ihr die Flanke wärmer rubbeln,
einmal übers Fell schnell strubbeln.

Dass sie nicht mehr einsam ist,
sich bewegt und wieder frisst,
heimwärts zieht zu den Kumpanen
und nicht etwa zu den Ahnen.

Längst sind wir vorbeigerauscht.
Hab ich das nur aufgebauscht?
Dieses Kuh-ich-rette-dich,
dieses So-allein-doch-nicht.

Denn am Ende sehr wahrscheinlich
wär’s für Kuh und mich recht peinlich.
Vielleicht dacht sie auf der Wiese:
»Nee, wat für ‘ne steile Brise.

Sonne scheint orangerot hell,
weißgepudert ist mein Fell.
Alle andern stehn im Stall,
ich allein ein Einzelfall.

Endlich hab ich meine Ruh,
bin ‘ne echt zufriedne Kuh.«
 


 

Grashalm sein

Ich wäre so gern
nein
nicht am Himmelszelt ein Stern,
aber doch in deiner Nähe.

Ich könnt ein schmaler Grashalm sein,
anfangs Samen und recht klein,
würd ich ganz ohne Faxen nach oben wachsen.

Ich wär stark und leicht zugleich,
stünde rum in deinem Reich
mit den andern – Ohr an Ohr – grüner Flor.

Ich würd mit dem Winde wippen,
auch mal leicht zur Seite kippen
Igitt, Regen, piepst die Maus.
Macht mir gar nichts aus.

Grün und lang sein – das ist toll.
Nicht allein sein bringt es voll.
In der Sonne Schatten stanzen,
durch den Hagel Pogo tanzen.

All die andern halten mich
Wippen, flattern, biegen sich.
Komm doch auch in unsere Mitte, bitte!
 


 

Gold und Lila

für Thomas S

Heute war mein Leben schwer,
dachte schon, es geht nichts mehr.
Machte mich auf den Weg zum See
in der Hand heißen Tee.

Ratterte ein Zug heran,
bremste, quietschte und hielt an.
Waggon sieben alles frei,
nur am Fenster saßen zwei.

Einer Gold und einer Lila,
schauten rüber: »Guck mal die da!
Wie die sitzt am grünen See,
taucht ins Wasser ihren Zeh.
In der Hand köstlichen Tee,
das Gesicht so voller Weh.«

»Sieht sie nicht die Pracht der Wiese?
Fühlt sie nicht den Sonnenstrahl?
Denkt sie nur an ihre Krise?
Alles Schöne ist egal?«

»Heb den Blick und sieh die Berge«,
ruft mir Gold fein lächelnd zu.
»Sing ein Lied, flieg mit den Lerchen!«
Lila schenkt mir seine Ruh.

Und dann winken sie, die beiden,
und der Zug fährt langsam an.
Schiebt sich weiter auf den Gleisen
und zurück bleibt ratatam.

Ich fühl plötzlich große Freude
über See und Grün und Luft.
Lieg im Gras, schau in den Himmel
hab es einfach nicht gewusst.

Find im Kleinen meine Wonne,
seh den Käfer und den Mohn
und ganz hinten weiß die Berge.
Leben, Liebe – komme schon!
 


 

Baden gehen

Mit nackten Füßen
durchs Gras
durch Sand
über Steine
mit Anlauf
in den See
ins Meer
in die Wanne?
Untertauchen
vor mir, hinter mir, über mir, unter mir
Wasser
Fisch sein
frei sein.
 


 

© Ute Wegmann

 
Ute Wegmann studierte Germanistik, Romanistik und Pädagogik. Nach dem Abitur hat sie auf der Kinderstation einer Klinik gearbeitet: Hilfsschwester Ute. Sie wollte mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten. Mit 18 sang sie in einer Band und schrieb schräge Texte, gereimt und ungereimt. Ohne das Satiremagazin Titanic und F.K. Waechter und Robert Gernhardt hätte sie womöglich nie eine Zeile geschrieben. Dass neben der hohen Literatur solche Gedichte möglich waren, kam dem Paradies gleich.

Aber alles, was sie schrieb, in all den Jahren, in all die Kladden und Hefte, landete fein säuberlich gestapelt in Kisten. Erst im neuen Jahrtausend kam Mut auf. Es entstanden kleine Krimitheaterstücke, das erste Drehbuch, der erste Film, das zweite Drehbuch, bis eine Verlegerin sie zum Romanschreiben ermunterte. Die Kindheit war so nah. All die Abgründe und die Einsamkeit und das Suchen und all das zu Bestaunende. Sie hat sich getraut und schrieb ihren ersten Roman – »Sandalenwetter«. Es folgten weitere, und oft gab es eine Figur, die sich einen Reim aufs Leben machte und Gedichte schrieb. Und eines Tages erinnerte sie sich, woher sie kam, die Begeisterung fürs Dichten. Es war das erste Buch ihrer Kindheit: »Ich und du. Kinderreime«.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

Alle bereits erschienenen Folgen von »Gedichte für Kinder« finden Sie hier.

Gedichte für Kinder – Folge 32: Sechs Kindergedichte von Andreas Steinhöfel

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Uwe-Michael Gutzschhahn präsentiert jeweils am 10. eines Monats auf DAS GEDICHT blog faszinierende Kindergedicht-Autoren mit ihren vielfältigen Spielarten der Kinderpoesie. Denn das Kindergedicht soll lebendig bleiben – damit aus jungen Gedichtlesern neugierige Erwachsene werden, die sich an die Klänge und Bilder der Poesie erinnern, statt an die Last der didaktischen Lyrikinterpretation.

 

Sommerende

Nun naht der Herbst
Von hohen Bäumen taumeln die Kasternien
Und vor die Monden schiebt sich hell der Wolk

In Kasachstan
Da war ich immer gernien
Liebte das Schwein, das Schaf, das Kuhgemolk

Sah ich dich dort?
Sah ich dich hier?
Am Ende gleibt sich alles bleich
Von hohen Bäumen taumeln die Kasternien
Sie fallen von die Ficht, das Buch, der Eich

Das macht mich traurig

Herbst eben
 

Kalahari, mehr so rechts

Es steht – die Spitze zeigt nach vorn –
am Wüstenrand das Nasenhorn.
Stünde es mit dem Po nach hinten,
würd man ein Horngenäse finden.
 

Haupthaar

Sein Haupthaar war so dünn
Man konnte ein einzelnes

problemlos durch eine nicht vorhandene Zahnlücke ziehen.
 

Die Socke

Socke, du
Bist kein Strumpf, bist kein Schuh
Bist nur Socke

Das reicht ja auch
 

Erleuchtung

beginnen wir mit 20 watt
und drei ampere
was ungefähr
wie kerzenschein
so matt
reicht das?

nein:
40 wären angebracht
schlanke birnen
kerzenhaft verjüngt
jedocht
mich dünkt
in tiefer nacht
scheint auch das kaum
hell genug

und genehm
wären wohl 60
so wie
ehedem
in omas keller …
doch viel heller
strahlt das licht
trotzdem nicht

erst
80 oder 100 gar
illuminieren
stirn und haar
nehmen wir –
endlicht!
 

Wunschlos glücklich

Wenn ich erst mal König bin
Hab ich eine Krone
Aber ohne
Geht’s wohl auch

Eher so ein Superheld
Mit Muskeln aus Stahl
Obwohl …
Auch egal

Oder reich?
Also Scheich!
Aber nur
Für den Reim
Steht mein Heim
Dann im Sand?
Vielen Dank!
Und erst die Hitze …
Hey!

Blitze! Die könnte ich in Massen
Auf meine Lieblingsfeinde
Prasseln lassen
Hab nur keine
Feinde
Meine
Ich
Spitze
Tolle Idee
Echt, ganz großartig
Schon gut, kapiert, dann eben nich

Jawohl, ich weiß, wie holprig sich das liest. Aber dafür sieht es doch irgendwie total toll aus, oder? Diese überaus ele-gante Kurve im Text. Sollte zwar eigentlich ein Blitz werden, aber man kriegt halt nicht immer alles gleich so schön hin, wie man es gern hätte. Kann auch sein, ich bin einfach zu doof.

Schöner werden oder klüger
Bloß für wen?
Bin schön genug
Mag mich selbst im Spiegel sehn
Also lieber klug:

In der Schule bessre Noten
Aber Noten
Sind doch bloß was
Fürs Klavier
Unsinn, Dummkopf, setzen, vier!
Hoppla …

Offen gestanden, macht dieses Gewünsche mich völlig wahn-sinnig. War auch gar nicht meine Idee. So was können sich nur Lehrer ausdenken: Ein Wunschgedicht …! Als ob man nichts Besseres zu tun hätte, als sich ein anderes Leben auszudenken. Mein Leben ist prima und die Hälfte aller Sa-chen, die ich mir letztes Jahr zu Weihnachten gewünscht habe, fliegen jetzt irgendwo rum. Ich hab sie nie wirklich gebraucht. Ich wollte sie einfach nur haben.

Mama sagt, sie wünscht sich nix
Hauptsache, wir sind gesund
Mag sein, dass da was dran ist, aber –
Ah, jetzt hab ich’s:
Einen Hund!

Nee, geht doch nicht
weil der Köter
Sich bloß reimt auf
Bunt und rund
Grüner Hund
Mit dicken Beinen?
Will ich keinen

Ha, jetzt hab ich’s:
Manchmal möcht ich
Fliegen können …
An der Wand raufkrabbeln –
Können sie wirklich!

Hab ich es nicht gesagt? Man kommt völlig durcheinander vom Dichten. Womöglich wird ein Dichter viel schneller ver-rückt als andere Menschen. Könnte doch sein. Ich meine, so einen muss man sich mal beim Einkaufen vorstellen:

Guten Tag, ich hätte gerne ei
n Ei oder zwei.
Oder drei.

Und der Verkäufer lächelt den Dichter ganz freundlich an, als hätte er es bei ihm nicht mit einem Verrückten zu tun, nur weil der Dichter beim nächsten Eierkauf vielleicht sagt: Heute back ich fleißig, ich brauch dreißig! Nee, so will ich nicht enden. Auf keinen Fall. Ich gebe auf.

Es klappt vorn und hinten nicht
Weder Wunsch
Noch Gedicht
Haut hin, wie ich das gerne hätte –
Ach, was soll’s
Das Nächste, bette!
 

© Andreas Steinhöfel

 
Andreas Steinhöfel ist einer der bekanntesten deutschen Schriftsteller und hat mit seinen »Rico und Oskar«-Büchern, die auch verfilmt wurden, eine riesige Fan-Gemeinde unter Kindern. Er wurde so ziemlich mit allem ausgezeichnet, was man in Deutschland an Preisen kriegen kann, u. a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, dem Katholischen Kinderbuchpreis, dem Erich-Kästner Preis und zuletzt in diesem Jahr mit dem James-Krüss-Preis. Bei der Verleihung dieses Preises hat er zum ersten Mal Gedichte gelesen. Warum er sonst nie Gedichte für Kinder geschrieben hat, dazu sagt der Autor: »Man kann mit einem kleinen Gedicht beinahe die ganze Welt erzählen. Trotzdem bevorzuge ich dafür die längere romanhafte Form. Das Gedicht bindet mich außerdem an bestimmte Formen (oder erwartet von mir, damit zu brechen); da ist der Roman deutlich offener: In dem kann gern irgendwo ein Gedicht auftauchen … aber niemals ein ganzer Roman innerhalb eines Gedichts.« Steinhöfel lebt nach vielen Jahren in Berlin wieder in Biedenkopf in Hessen, wo er auch geboren ist.

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn. Foto: Volker Derlath

Uwe-Michael Gutzschhahn, Jg. 1952, lebt in München und hat an der Universität Bochum über den Lyriker Christoph Meckel promoviert. Seit 1978 hat er zahlreiche eigene Gedichtbände veröffentlicht, u. a. »Fahrradklingel« (1979), »Das Leichtsein verlieren« (1982) und »Der Alltag des Fortschritts« (1996). Zwischen 1988 und 1991 gab er die 12-bändige Kinder-Taschenbuchreihe »RTB Gedichte« mit Texten u. a. von Ernst Jandl, Oskar Pastior, Friederike Mayröcker und Sarah Kirsch heraus. 2003 folgte die Anthologie »Ich liebe dich wie Apfelmus«, die er mit Amelie Fried zusammenstellte und die gerade in einer Neuausgabe wiederaufgelegt wurde. Sein erster eigener Kindergedichtband folgte 2012 unter dem Titel »Unsinn lässt grüßen«. Und im Herbst 2015 erschien seine große Nonsenslyrik-Anthologie »Ununterbrochen schwimmt im Meer der Hinundhering hin und her.«

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